Matze Lawin: "Kurze Pause von kurzen Armen gibt es nicht"

Kurze Arme - keine Kekse? Nicht mit Matze Lawin! Anlässlich seines firsch erschienen Buches Das Leben ist zu kurz für lange Arme erzählt der Autor, DJ und Weltenbummler im Interview vom Leben mit Contergan-Schädigung, seinem Weg zur radikalen Selbstakzeptanz und seiner unstillbaren Entdeckungslust - über und unter Wasser! 

Porträt von Matze Lawin
© privat

Egal was Sie anpacken, ein „Geht nicht – gibt’s nicht“ scheint in Ihrer Lebensgeschichte immer ein leitendes Motto zu sein. Kommen dieser Lebensmut und die Lust am Ausprobieren auch aus einem Gefühl oder einer Notwendigkeit heraus, sich ständig beweisen zu müssen?

Nein, zum Glück liegt das weit hinter mir. Wer mein Buch gelesen hat wird wissen, dass diese Zeiten vorbei sind. Heute muss ich niemandem mehr etwas beweisen, kann alles aus Eigenantrieb und Lebensenergie anpacken.

Die Themen Inklusion und Gleichberechtigung sind in den vergangenen Jahren immer präsenter diskutiert worden. Sehen Sie tatsächlich einen Wandel hin zu einer offeneren Gesellschaft mit mehr Teilhabechancen und weniger Diskriminierung?

Es ist wie mit vielen Prozessen, wir machen in unserer Gesellschaft, gerade auch in Bezug auf Inklusion, oft sehr kleine Schritte. Für größere reicht scheinbar der Wille nicht aus oder es fehlt mehr Entschlossenheit und Mut. Und das bei unseren Möglichkeiten, geradezu peinlich. Da sich rechtsradikales Gedankengut immer mehr Zutritt in die Mitte unserer Gesellschaft verschafft, ist nicht damit zu rechnen, dass Diskriminierung abnimmt. Also gilt es voll dagegenzuhalten.

Sie schreiben davon, dass Sie früher eine „Kinderphobie“ gehabt hätten. Selbst Vater zu werden beschreiben Sie auch in diesem Kontext als „Wendepunkt für das eigene Selbstverständnis“. Worin unterscheiden sich Kinder und Erwachsene im Umgang mit Ihnen?

Kinder sind offen und direkt. „Mama, der Mann da hat ja nur ganz kurze Arme!“ Außer sie werden von Erwachsenen daran gehindert. („Guck da nicht hin! Sei still!“) Mittlerweile hat sich meine Umgehensweise damit geändert, oft bevorzuge ich die Welt der Kinder, weil sie ehrlicher ist. Eines aber sollte jedem klar sein: Auch ich habe ureigene Emotionen und auch mal nicht so gute Tage, an denen mich niemand beäugen müsste. Kurze Pause von kurzen Armen gibt es jedoch nicht.

Sie haben schon unzählige Länder bereist und dabei schon so manches Abenteuer erlebt. Sie schreiben, dass die erste große Reise Ihnen gezeigt habe, dass Ihnen „die Welt offensteht“ – was konnten Sie auf Reisen lernen, was Sie Zuhause nicht hätten lernen können? 

Durch kulturell unterschiedlich ausgeprägte menschliche Eigenschaften mache ich in fremden Ländern Erfahrungen, die ich Zuhause nicht mache und die meine Sicht auf die Dinge verändern und schärfen. Positiv wie negativ. Dabei ist es gravierender Unterschied, ob ein Mann mit kurzen Armen in Neuseeland, Afrika oder Mittelamerika auf die dort lebenden Menschen trifft. Durch passable Englisch- und Spanischkenntnisse  komme ich in der Kommunikation mit ihnen über landestypische Floskeln hinaus. Ein tiefergehender Austausch ist möglich, ein echter Mehrwert. Das wiederum bereichert meinen Horizont. Die Sehnsucht zu verreisen wird nicht weniger. Einzig mein ökologischer Fußabdruck ist ein Desaster, aber in der Hinsicht bin ich sowieso verbrannt. 

Das Tauchen ist eine Ihrer großen Leidenschaften. Worin liegt für Sie die Anziehungskraft des Meeres und der Unterwasserwelt? Wo gehen Sie am liebsten tauchen?

Tauchen ist für mich das Größte! Die Unterwasserwelt ist unergründlich und divers. Völlige Ruhe in einem anderen Medium. Kreaturen, deren Schönheit und Pracht einzigartig sind. Jede Tauchdestination hat ihre eigenen Reize. Da ich exklusive Tauchreisen in allen Weltmeeren erlebt habe, konnte ich mir einen Eindruck davon verschaffen, wo Artenvielfalt und Meeresfauna noch halbwegs intakt sind. Hand auf‘s Herz: Der Zustand ist katastrophal. 

Sie haben schon so viel erlebt und ausprobiert. Was steht als nächstes an? 

Der Zug des Lebens hält nicht an, auch meiner nicht. Ich wende mich mehr und mehr der Hospizarbeit zu, lege weiterhin voller Leidenschaft in der Falstaff-Disco auf und genieße mein Dasein als Opa Matze. Ansonsten hat das Schicksal sicherlich noch Überraschendes in petto, ich lasse es auf mich zukommen.

Matze Lawin

wurde 1961 in Bad Oeynhausen geboren und lebt wie jeder andere mit individuellen Einschränkungen. Kurz vor Beendigung des Pädagogikstudiums entscheidet er sich, nicht weiter nur dem Verstand zu folgen, sondern seinem Herzen. Er liebt den Sound und wird DJ. 2024 veröffentlicht er sein erstes Buch Das Leben ist zu kurz für lange Arme. Heute wohnt er in der Bremer Neustadt.

Zum Autorenprofil von Matze Lawin 

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