Von Eltern und Kindern: Lesetipps aus der Redaktion

Gefühlsstürme begleiten, Hausaufgaben kontrollieren, tausend Fragen beantworten, über Medienzeit zu diskutieren: Das Zusammenleben zwischen Eltern und Kindern bringt Herausforderungen mit sich. Ob wir nun zwischen Job, Haushalt und Erziehung balancieren und in allem perfekt sein oder einfach nur endlich machen sollen, dass die Blätter am Baum gelb werden – im Mai, aber schnell! – wir können nur Versagen, scheint es. Manchmal hilft es, sich in den richtigen Geschichten wiederzufinden und zu sehen: Ich bin nicht allein!

Zwischen Bibi und Tina, kaltem Kaffee und Marmeladenküssen

Auf der Bibliothekstoilette jongliert sie den Bücherbeutel, die Menstruationstasse und die Gefühle des Kindes. Die Protagonistin in Muschmamm ist als Mutter in den eigenen Erwartungen, verinnerlichten Glaubenssätzen und dem Blick der Gesellschaft eingezwängt und träumt (heimlich) davon, morgens warmen Kaffee im Bett zu trinken, ihren Partner nicht mehr nur als Mitbewohner zu sehen und nie wieder Bibi und Tina zu spielen. Während Anna Job und Corinna Pourian in „Salzige Milch“ das Babyjahr dieser Mutter begleitet haben, geht es jetzt um die Kindergartenzeit – die Tochter ist fast vier Jahre alt, hat sehr genaue Vorstellungen von Picknicks, Rollenspielen und davon, wer sie ins Bett bringen darf: lieber der Pappa! 

Für die Mutter – die Muschmamm, die „so nervig ärgert, aber auch ein bisschen lustig ist“ – resultiert daraus emotionale Überforderung und das Gefühl, hinter einer Rolle zu verschwinden, viel Streit, viele Küsse, und die Frage: noch eins? Wie fordernd das Zusammenleben plötzlich sein, aber auch, wie groß die Liebe zu dem neuen Wir werden kann, zeigen emotionale, oft poetisch Texte und die fein darauf abgestimmten Zeichnungen von Löwenkäfigen, Demo-Schildern oder einem „Du bist total gemein!“, das auf dem Abendbrot-Teller liegt.

Das Cover zeigt eine Mutter mit Kind.

Die Tragik der Unverträglichkeit

Von einem anderen Lebensabschnitt, aber nicht weniger emotionaler Last, erzählt Christiane Frohmann in Vier Wochen: Vater, Mutter, Kind, Kind – diese Rollen bestimmen das Leben von Natti und Karlo seit vielen Jahren. Ihre Söhne sind inzwischen „junge Wölfe“ geworden – Alkohol, Drogen, Grenzüberschreitungen und soziale Verfehlungen bringt das mit sich. Ihren Sorgen und Konflikten wollen die Eltern entfliehen, sich selbst aus ihren Rollen bergen und so reisen sie für vier Wochen auf eine italienische Insel, erst zu zweit, dann in unterschiedlichen Konstellationen mit den Kindern. Hier soll Raum für Paarzeit sein, aber auch für unbeschwerte Stunden mit den Kindern außerhalb des Alltags. 

Doch la dolce vita kann nicht heilen, was schon lange im Argen liegt: Es entspinnt sich eine „kleine griechische Tragödie in Italien.“ Die blaue See ist – zumindest metaphorisch – stürmisch, den Urlaubsfotos kann auch ein Filter keine Freude einhauchen. Christiane Frohmann erzählt in ihrer Novelle die Mutter-Perspektive auf das Coming-of-Age und zeigt: Manchmal ist das Zusammensein einfach unerträglich. Mit viel Feingefühl und Humor blickt sie auf ihre Figuren und beschwört eine bedrohliche Stimmung der Wut und des Zerfalls hervor. Nebenbei schreibt sich der Text intertextuell in die Tradition der deutschen Novellen ein und spielt metatextuell mit seiner Gemachtheit. 

Das Cover zeigt den Blick aufs Meer.
Das Cover zeigt ein Kind auf einem Baum.

Leichtigkeit finden

Wie es sich hingegen als Kind anfühlen kann, mit Erwachsenen zusammen zu sein, auch darum geht es im Bilderbuch Wie war’s heute? von Nikola Huppertz. Jeden Tag stellt Papa auf dem Rückweg von der Kita nämlich die gleiche, titelgebende Frage: „Und, wie war’s heute?“ Und jeden Tag ist Eike damit total überfragt. Als er zu Hause Raum für sich hat und durch den Garten stromert, nicht einsam, aber ganz bei sich, kommen die Erinnerungen zurück. Beim Abendessen schließlich kann zwischen Vater und Sohn ein Miteinander entstehen. Nikola Huppertz erzählt diese kleine Alltagsgeschichte, die vielen Familien bekannt vorkommen wird, ruhig und mit Verständnis für alle Figuren. 

Die Illustrationen von Susanne Straßer sind verspielt. Sie eröffnen neben den Szenen aus der Alltagswelt von Eike auch Erinnerungsbilder an den Kita-Tag. Beide Zeitebenen fügen sich harmonisch ineinander, so wie auch Eike das vertieft in sein Spiel im Garten erlebt. Was ist real, was passiert nur in Eikes Kopf? Im Gespräch können Kinder bald differenzieren und interpretieren. Wie war’s heute? ist ein fantasievolles Bilderbuch ohne große Aufregungen, das sich eignet, um das Zusammensein in der Familie, aber auch mit anderen Kindern, zu verstehen, besprechen und Gefühle zu benennen.

Letztendlich bleibt das Zusammensein zwischen Müttern, Vätern und Kindern, egal ob groß oder klein, ein Balanceakt. Darüber zu lesen, kann eine kleine Auszeit vom Alltag bedeuten oder uns helfen, neu über unsere Situation zu denken und miteinander ins Gespräch zu kommen. 

MUSCHMAMM. MUSIK AN WIDERWORTEN | Anna Job | Illustration: Corinna Pourian | Kunstanstifter | Mannheim 2025 | 224 S. | €28,00

EMOTIONAL LOAD. WIE MÜTTER FREI VON EMOTIONALER ENTLASTUNG WERDEN | Susanne Mierau | SACHBUCH Beltz Verlag | Weinheim 2025 |

VIER WOCHEN | Christiane Frohmann | NOVELLE mikrotext | Berlin 2025 | 160 S. | €24,00

WIE WAR’S HEUTE? | Nikola Huppertz | Illustration: Susanne Straßer | BILDERBUCH Hanser Verlag | München 2025 | 32 S. | €16,00 | Ab 3 Jahren

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