Sommer, Ferien, Survival: Camp Emerson in den Adirondack Mountains ist ein Großereignis. Gelegen im äußersten Zipfel des Bundesstaats New York, lernen Kinder und Jugendliche hier, wie man Feuer macht und was man tut, wenn man sich im Wald verirrt (auf den Boden setzen und laut schreien). Unterdessen feiert die Gründerfamilie van Laar auf ihrem herrschaftlichen Anwesen sich selbst. Im August 1975 verschwindet Barbara, die rebellische Tochter der van Laars, spurlos in den Wäldern. Stimmt es, dass der aus dem Gefängnis entflohene „Schlitzer“ sie entführt hat? Oder war es doch ScaryMary, von der sich die Kinder am Lagerfeuer erzählen?
Barbara ist nicht das erste Opfer. Vor 14 Jahren verlor sich auch von ihrem Bruder Bear jegliche Spur in der entlegenen Wildnis. Der Fall Bear gilt als gelöst, der Mörder tot und ein junger Ermittler machte Karriere. Die Polizeibehörden wurden allerdings erst eingeschaltet, nachdem zahlreiche Helfer*innen der van Laars die Wälder durchstreift und sämtliche verwertbare Spuren vernichtet hatten. Kann das ein Zufall sein?
Die Polizistin Judyta Luptack vom New York Bureau of Criminal Investigation muss sich im Laufe ihrer Ermittlungen zum Fall Barbara nicht nur mit den van Laars auseinandersetzen, sondern auch mit ihrem eigenen Chef, der wenig interessiert daran ist, dass ausgerechnet der prominente Vermisstenfall von Barbaras Bruder erneut aufgerollt wird, dessen Lösung einst seine eigene Karriere begründete. Als erste Frau in dieser Position wird Judyta von ihren Kollegen oft unterschätzt und muss sich ein ums andere Mal gegen sexistische Klischees behaupten.
Die multiperspektivische Erzählung springt zwischen beiden Fällen temporeich hin und her und packende Cliffhanger am Ende der Kapitel sorgen für fantastische Spannungsmomente.
Barack Obama hat den Gott des Waldes auf seiner Summer Reading List empfohlen, Stephen King meint, man könne das Buch ab Seite 200 unmöglich aus der Hand legen und beide haben Recht, denn Liz Moore hat einen faszinierenden Roman über menschliche Abgründe und dunkle Familiengeheimnisse geschrieben. Das Ende sorgt für Gänsehaut und ein tiefes Glücksgefühl von Waldeinsamkeit.
DER GOTT DES WALDES | Liz Moore | Übersetzt von Cornelius Hartz | ROMAN C.H. Beck | München 2025 | 590 S. | €26,00
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heißen der Instagram-Kanal und der Blog von Eva Heinrich. Hier schreibt sie seit 2015 über Literatur - am liebsten ungewöhnliche Romane mit komplexen Themen, großen Fragen und spannenden Figurenkonstellationen. Eva hat in Münster Komparatistik, Deutsch und Pädagogik als Unterrichtsfach studiert und arbeitet nach Jahren in der freien Kunstszene jetzt als Lehrerin für Deutsch und Sozialpädagogik. Ihren Blog hat sie übrigens nach dem gleichnamigen Roman von Eva Rice benannt.
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