LitKo-Schreibwerkstatt für junge Autor*innen
Die Litko-Schreibwerkstatt für junge Autor*innen unter der Leitung von Laura Müller-Hennig findet zur Zeit online statt. Interessierte Jugendliche (ca. 14 bis 19 Jahre) können an jedem 2. und 4. Donnerstag im Monat an einem gemeinsamen Online-Meeting teilnehmen. Mitmachen können alle, die Lust am Schreiben haben, ganz unabhängig von der Textform. Ob Kurzgeschichten, Gedichte, Miniaturen, Songtexte oder anderes – alles ist möglich.
Eine Weile lief sie weiter, ohne wirklich an etwas zu denken. Gabi warf ihre halb gerauchte Zigarette in einen Mülleimer. Melanie lief schweigend neben ihr. Hinter ihnen, weit weg und unverständlich, ein Gespräch zwischen Esra und Bine. Ein lautes Auflachen mehrerer Leute, das Klingen von Münzen, und ein junges Paar trat vor ihnen aus einem Restaurant. Beide trugen abgetragene Jeans und Adidas, und hatten die Ärmel ihrer Hemden bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt. Partnerlook, wie süß, dachte sie. Sie setzten zum Gehen an, und der Mann legte den Arm um die Schultern der Frau und zog sie an sich. Die Bewegung wirkte etwas unbeholfen, aber so liebevoll, dass ihr Herz ein bisschen schmolz. Sie beobachtete, wie die Frau ihren Arm um ihn legte und sie sich im Gehen zueinander drehten. Sie überquerten die Straße zur anderen Seite hin, und als sie aus dem Schatten in die Sonne traten, schimmerte der Silberschmuck an den Handgelenken der Frau auf, und es war, als ob auch ihre Köpfe, ihre Haare, ihre Kleidung plötzlich mit einem Schimmer überzogen waren. Nach ein paar Sekunden drehten sie nach links ab. In die andere Richtung, zurück ins Wohnviertel. Dann waren sie weg, entschwunden aus ihrem Blickfeld.
Und sie blieb zurück.
Fühlte sich seltsam verletzlich, alleingelassen; und sie wollte ihnen hinterher rennen wie ein kleines Kind, fragen, wie man das schaffte, was sie schafften, jeden Tag aufs Neue, und wie man es schaffte, dass es einen nicht zerriss. Wie das so unendlich vielen Paaren gelang, ob zusammen oder voneinander getrennt. Doch der Impuls hielt nicht lange an, und sie trat die damit einhergehenden Gedanken, Erinnerungen zurück. Es war nicht mehr die Zeit für solche Gedanken. Sie war nicht mehr dort, damals; sie war im Westen, auf ihrer Seite der Geschichte. Und hier waren auch Menschen, die sie liebten, darüber war sie glücklich, und sollte es auch sein. Aus einer geöffneten Balkontür kam der Geruch von Kreuzkümmel und gebackenem Brot.
Gabi blieb stehen und drehte sich dramatisch zu ihnen um.
„Ey Leute, es tut mir leid, aber ich hab schon wieder Hunger. Und auf leeren Magen kann ich nicht feiern gehen, das endet nicht gut. Lass uns doch kurz hier anhalten." Hinter ihrem Kopf das Schild von einem Imbiss und Stehtische.
„Ne, lass mal...", doch gleichzeitig mit ihr sagten Melanie und Jana: „Ja, geht mir genau so", und „Gute Idee", und damit war es beschlossen. Sie warteten, bis Esra und Bine zu ihnen aufgeschlossen hatten, und bestellten. Wenige Minuten später standen sie dicht gedrängt um einen der Stehtische und stocherten in Pommes mit Currywurst und Salat herum.
„Isst du gar nichts?", fragte Esra sie von der Seite. Sie schaute hoch vom Deckel der Wasserflasche, den sie gedankenverloren betrachtet hatte, und traf Janas Blick. „Fang nicht wieder damit an", fuhr Jana sie an.
Esra reagierte schneller. „Ähm, hallo??"
Aber auf Janas Gesicht war bereits ein weicherer Ausdruck getreten: „Wenn man immer nichts isst, dann geht's einem halt schlechter. Hatten wir schon."
Und plötzlich war es okay.
Sie grinste. „Hab nur... die Flasche angestarrt und vergessen, dass ich eine Gabel habe."
„Ach so, na dann ist ja in Ordnung", antwortete Jana, schon wieder beschäftigt mit ihren Pommes. Es entstand eine Pause, und die anderen lachten.
„Was?!", schoss Jana zurück, von ihrem Pappteller aufblickend, doch die anderen grinsten nur.
Als sie fertig gegessen hatten, entsorgten sie Pappteller und Plastikgabeln im Müll. Gabi drehte sich zur Gruppe wie ein Coach in Jeans und Leopardentop, der seine Fußballmannschaft auf ein schwieriges Match einstimmt.
„Joa, dann lass mal los!"