Sven Kamin: Bremens Kandidat für den Slamovision 2025

Am 06. November findet in Dublin das Finale des Slamovision 2025 statt – und Bremen ist erneut dabei! Slamovision ist der internationale Poetry Slam Wettbewerb der UNESCO Cities of Literature, der vom Prinzip ein wenig wie der Eurovision Song Contest funktioniert. Schon jetzt kannst du dir auf www.slamovision.com alle Videos der 17 teilnehmenden Cities of Literatures ansehen. Heute wollen wir dir aber Bremens Kandidaten einmal vorstellen! Denn im Juni hat Sven Kamin Bremens Vorentscheid für den Slamovision gewonnen bei einer Sonderausgabe von Slam Bremen…

Hallo Sven Kamin, erst einmal herzlichen Glückwunsch für den Einzug ins Finale des Slamovision 2025. Du vertrittst Bremen in Dublin. Wie hast du von der Veranstaltung erfahren und was hat dich dazu bewegt mitzumachen?

Ich bin im vergangenen Jahr neugierig geworden. Da habe ich ein Video gesehen. Zu sehen war die wunderbare Slam-Kollegin Eva Matz mit einer Kunstblume am Hut vor einem Sicherungskasten und hat in einem sehr engagierten Text die Freiheit der Demokratie gepriesen und Bremen mit diesem sehr starken Text bei Slamovision vertreten. Und dann habe ich gesehen, dass da noch ganz viele andere Videos waren von anderen Poetinnen und Poeten aus vielen europäischen Ländern – manche sogar von anderen Kontinenten – , die mit ihrer Sprache, ihrer Stimme ihren Beitrag zu einem sehr berührend poetischen Vielklang geleistet haben. Das war inmitten einer Welt der Kriege, Konflikte und Krisen ein sehr heilsamer ein sehr europäischer Moment. 

Slam Poet*innen beim Slamovision 2024 in Manchester
© Ianthe Warlow

Als in diesem Jahr der Slam Bremen zum lokalen Vorentscheid für eine neue Slamovision-Runde ins Lagerhaus eingeladen hat, war es keine Frage, dass ich mitmache. Dass es dann am Ende eines starken, lustigen, tiefgründigen, intensiven Wettstreits der Bremer Stimmen für mich gereicht hat, bedeutet mir tatsächlich sehr viel.

Der Poetry Slammer Sven Kamin performt im Theater Bremen.
© Sven Kamin

In deinem Video zu „Roboter“ geht es ja recht atemlos zu. Kannst du mir etwas darüber erzählen wie der Text entstanden ist und woher die Inspiration dazu kam?

Der Text ist schon ziemlich alt. Etwa 12 Jahre jetzt. Und ich wünschte mir manchmal, dass ich den niemals geschrieben hätte, weil so ziemlich alles, was ich damals zu künstlicher Intelligenz – in dem Text auf das Bild der Roboter – zugespitzt geschrieben habe, ist ziemlich genau so eingetroffen. Das liegt tatsächlich aber weniger an meiner eigenen Weitsicht. Ich hatte damals das Buch You are not a gadget mit den mahnenden Gedanken des Silicon Valley Pioniers Jaron Lanier gelesen, in dem er vieles, was uns normalen Menschen erst heute im Alltag begegnet, aus seiner Entwicklerperspektive längst voraussagen konnte. Den Gedanken, dass der Kipppunkt derjenige ist, an dem sich Maschinen ohne menschliches Zutun selbst reproduzieren können und zwar 24 Stunden am Tag 365 Tage im Jahr ohne Pause, hat mich wohl ziemlich umgehauen. Diese Rastlosigkeit hat dann auch den Ton für den Text gesetzt.

Zum Schutz Ihrer Persönlichkeitssphäre ist die Verknüpfung mit dem Video-Streaming-Dienst deaktiviert. Per Klick aktivieren Sie die Verknüpfung. Wenn Sie das Video laden, akzeptieren damit Sie die Datenschutzrichtlinien des Video-Streaming-Dienstes. Weitere Informationen zu den Datenschutzrichtlinien des Video-Streaming-Dienstes finden Sie hier: Google - Privacy & Terms

Und woher kommt deine allgemeine Leidenschaft für Slam Poetry?

Wahrscheinlich aus genau solchen Momenten: Dich macht etwas wütend, glücklich, traurig, ratlos oder nachdenklich und dann ist da dieses Ventil, das Notizbuch rausholen zu können und loszuschreiben – ohne Schranken, ohne Schere im Kopf, auch mal ohne Plan. Dann ist es erstmal raus. Und ganz nebenbei ist das, wenn ich so auf meine Texte zurückblicke, dadurch auch immer ein eingefrorener Moment meines Lebens. Ein bisschen wie Tagebuch in wild. 

Und Poetry Slam bedient noch ein anderes Bedürfnis in meinem Leben. Seit der Grundschule habe ich Theater in Schul- oder später Uni-Gruppen gespielt. Das Auf-der-Bühne-Stehen, die Lichter, die Konzentration, auch die Gefahr, dass es schiefgeht und das Gefühl, wenn es am Ende geklappt hat, das habe ich immer sehr geliebt. Während des Anglistik-Studiums hatte ich Poetry Slams als Literatur-Phänomen kennengelernt und war neugierig geworden. Aber erst als ich wegen langer Arbeitszeiten nicht mehr in Theatergruppen spielen konnte, und es da echt eine Leerstelle gab, habe ich einen Poetry Slam im Bremer Lagerhaus bei Günther Kahrs alias Meister Propper besucht, und mir gedacht: Das will ich auch. Also habe ich das Notizbuch rausgeholt, etwas aus heutiger Sicht eher Dürftiges zusammengeschrieben und dann ging es los. Die offene Slambühne des Slam Bremen an jedem 2. Donnerstag im Monat im Kulturzentrum Lagerhaus, auf der alle auftreten können, die das einfach mal ausprobieren wollen und die es immer noch gibt, war eine tolle Startrampe.

Gibt es ein bestimmtes Schema, nachdem du immer vorgehst? Wonach suchst du die Themen deiner Texte aus?

Texte erwischen mich ganz unterschiedlich. Manche Themen sind einfach durch ein unmittelbares Erlebnis da. Oft gibt es dann aus dem Nichts eine Zeile, die ich im Kopf habe, um die dann ein ganzer Text, Schicht um Schicht wächst. 

Meistens gehe ich dabei tatsächlich auch so vor, wie ich es in meinen Workshops weiterzugeben versuche: Wenn die Zeile und die Grundidee da ist, gibt es ein ziemlich ausgiebiges, oft tagelanges Brainstorming, das auch an der Supermarktkasse im Kopf weiterlaufen kann. Die Frage dabei immer: Was könnte mit dem Thema sprachlich, inhaltlich, emotional in Verbindung stehen? Aus all dem oft seltsamen Zeug kann man dann vereinzelte Schätze heben, die ganz unerwartete Blickwinkel oder Formulierungen zum Textthema ergeben. 

Inzwischen nutze ich dieses Vorgehen zum Beispiel sogar in meinem Beruf als Wissenschaftskommunikator. Dort lade ich bisweilen die nüchternen Kommunikationsthemen mit literarischen Motiven der Imagination emotional auf. Kommagination sozusagen. Da wird dann aus einem Besucherinnen- und Besucherzentrum, das zwar „Lighthouse“ heißt, im Text ein echter Leuchtturm, der das Licht der Wissenschaft in die tosend dunkle See der Schwurbelmythen wirft. So bleiben die Inhalte fühlbarer und stärker in Erinnerung.

Worauf freust du dich am meisten in Dublin und beim Finale?

Ich habe auf www.slamovision.com ja schon einen Blick auf die Texte der anderen werfen können. Meine Güte! Das ist beeindruckend. Ich freue mich darauf, viele dieser Menschen kennenzulernen. Noch dazu in Dublin, wo einen Literatur, Musik und Poesie praktisch an jeder Ecke anspringen. Dort für meine Geburtsstadt Bremen an den Start gehen zu dürfen, wird bestimmt toll.

Logo vom Slamovision

Wir drücken dir die Daumen fürs Finale! Vielen Dank für das Interview!

Wenn du magst, kannst du dir natürlich auch schon die Videos der anderen Slamovision-Kandidat*innen anschauen! Und am 06. November kannst du live dabei sein, wenn abends das Event live aus Dublin gestreamt wird.


Sven Kamin performt auf einer Bühne
© Sven Kamin

Mehr lesen: