Silke Becker im Interview

Silke Becker ist Cheflektorin im Bereich Medien in der Stadtbibliothek Bremen und ist dafür zuständig, mit ihrem Team Medien auszuwählen und auch die digitalen Angebote zu kuratieren. In einem Gespräch erzählte sie Sinja Konduschek von den digitalen und Online-Angeboten in der Stadtbibliothek und welche Möglichkeiten diese mit sich bringen.

In unserer Monatsausgabe geht es um das Thema „online“. Auch in der Stadtbibliothek gab es in den letzten Jahren sicherlich einige Neuerungen in Bezug auf digitale und Onlineangebote, was kannst du mir dazu sagen?

Tatsächlich hat sich in den letzten Jahren in unserem digitalen Angebot gar nicht so viel verändert. Wir haben schon seit vielen Jahren einige Formate in unserem Bestand. Unser größtes und bekanntestes Angebot, die Onleihe, gibt es bei uns mittlerweile schon seit fast 17 Jahren. Und auch andere digitale Formate, die gern genutzt werden, haben wir schon seit langer Zeit. Das sind Angebote aus den Bereichen Literatur, Film, Musik, Sprache, Zeitschriften und vieles mehr.

Wir halten immer Ausschau nach neuen Angeboten, die unseren digitalen Bestand gut ergänzen können. Vor noch nicht so langer Zeit haben wir mit Overdrive den Bestand an fremdsprachigen Romanen aufgebaut. Mittlerweile bieten wir diese in 28 Sprachen an.

Banner "Online-Kataloge"
© Sinja Konduschek

Welches digitale Angebot spricht dich persönlich besonders in der Stadtbibliothek an?

Die Onleihe ist natürlich ein tolles Angebot, welches ich in meiner Freizeit gern nutze. Hier findet man viele Titel, sowohl aus dem Roman- als auch aus dem Sachbuchbereich, darunter viele auch als Hörbücher. Da ich jeden Tag mit dem Zug fahre, ist das sehr angenehm.

Mir gefällt aber auch die Möglichkeit, spontan über Filmfriend einen Film anschauen zu können. Und ich höre auch gern Musik über Naxos. Das ist eine Musikplattform für klassische Musik, Jazz und auch Weltmusik.

Dienstlich nutze ich gern Statista, eine Plattform für Wirtschafts- und Statistikdaten, in denen ich fast immer die Zahlen finde, die ich für meine Arbeit benötige. Wenn ich Informationen zu bestimmten Themen benötige, finde ich auf LinkedIn Learning meist den richtigen Kurs. Hier sind Tutorials aus den Bereichen Kommunikation, Wirtschaft, IT zu finden.

 

Was gefällt dir – oder stört dich vielleicht – an den Veränderungen, die durch die Umstellung auf mehr digitale und Online-Formate eingetreten sind?

Es ist es auf jeden Fall sehr positiv, dass wir mittlerweile ein sehr gutes Online-Angebot haben. Aus meiner Sicht ist das eine Bereicherung oder vielmehr eine Ergänzung zum restlichen Angebot.

Unsere Kund*innen können Medien je nach Lust und Bedarf online oder analog nutzen. Die Angebote sind von zuhause aus abrufbar und nicht an die Öffnungszeiten der Bibliotheken gebunden. Dadurch sprechen wir einen noch größeren Kundenkreis an. Das ist natürlich super. Da wir weiterhin viele haptische Medien im Angebot haben, ist das aus meiner Sicht durchweg als positiv zu bewerten.

© Jonathan Kamzelak

Kann man eine Antwort darauf finden, in welcher Altersgruppe wohl die größte Nachfrage besteht?

Tatsächlich ist es schwierig, hier eine genaue Aussage zu treffen, da wir keine Erhebungen zu den Altersgruppen machen können. Es sind natürlich die Digital Natives, die mit diesen Angeboten sehr selbstverständlich umgehen. Andererseits gibt es dort gerade Bewegungen in die andere Richtung: Im Bereich Dark Romance-Literatur gibt es derzeit optisch sehr ansprechende Neuerscheinungen. Diese werden lieber gedruckt gelesen. Ebenso verhält es sich mit den BookTok-Titeln. 

Außerdem vergrößert sich der Kreis der älteren Nutzer*innen zunehmend, da die Gruppe derer, die seit Jahrzehnten schon digital unterwegs ist, immer größer wird. Oder anders gesagt: Diejenigen, die gar keine digitalen Berührungen haben, werden immer seltener und sind in der Regel dann auch schon sehr alt. Bei Problemen bieten wir in jedem Fall Unterstützung an. Das Lesen auf dem Monitor hat den Vorteil, dass man sich den Text so einrichten kann, wie man es benötigt. Beispielsweise kann ich den Text beim digitalen Lesen vergrößern.

Hast du das Gefühl, dass Online-Angebote den Zugang zur Bibliothek erleichtern können?

Wir haben viele Kund*innen, die gedruckte Bücher lieben und sehr gern selbst in unsere Bibliotheken kommen. Viele schätzen den Austausch mit anderen Kund*innen oder auch mit unseren Mitarbeitenden. Oder sie lieben einfach den Ort Bibliothek.

"Für einen großen Teil der Bibliothekskund*innen ist es sehr erleichternd, dass sie viele unserer Angebote digital nutzen können, und das rund um die Uhr." 


Die Bindung an Öffnungszeiten ist manchmal schwierig und der Weg in die Bibliothek kostet ja auch Zeit. Diese Menschen würden ohne die Möglichkeit, unsere digitalen Angebote nutzen zu können, vermutlich dann sehr viel weniger ausleihen. Auch bei körperlichen Einschränkungen ist es manchmal einfacher, die Bibliothek digital zu nutzen.

Und viele unserer Kund*innen sind hybrid unterwegs: Bevor sie in den Urlaub einen Stapel Bücher mitschleppen müssen, können sie bequem auf ihrem e-Reader lesen und jederzeit Nachschub holen. Dennoch lesen sie grundsätzlich vielleicht lieber auf Papier.

Jetzt hätte ich auch noch eine Frage, die mich persönlich sehr interessiert. Was denkst du, wie sich das Thema auf das Leseverhalten auswirkt und welchen Einfluss es auf das gedruckte Buch hat? 

Unsere digitalen Angebote sind vielfach exakt mit den gedruckten Büchern vergleichbar (Onleihe und Overdrive). Da ist es für die Kund*innen eine Geschmacks- oder Bedarfsfrage, in welcher Form sie ihre Bücher lesen. Durch den einfacheren Zugang haben wir die Hoffnung, dass wir mit den digitalen Angeboten eine Lesergruppe dazugewonnen haben, die wir sonst vielleicht nicht so hätten.

Wie sich das künftig entwickelt, wird sich zeigen. Solange wir beides anbieten können, wird sicher auch beides genutzt. Sowohl gedruckte Bücher als auch digitale unterliegen der Buchpreisbindung. Der Preis wäre also kein Argument. Anders sieht es allerdings bei Hörbüchern, Musik und Filmen aus. Hier stellen wir einen deutlichen Rückgang in der Nutzung fest. Und tatsächlich wird auch sehr viel weniger produziert. Die Kund*innen nutzen hier wohl eher Streamingangebote. Diese Entwicklung hat sich nach Corona nicht mehr zurück entwickelt.

Zwei Tische mit Computern
© Sinja Konduschek

Wie glaubst du, wird sich das ganze Thema „online“ in den nächsten Jahren noch auf die Bibliothek auswirken?

In den Bibliotheken spielt das Thema Online-Medien schon jetzt eine große Rolle. Das wird sich in der Zukunft noch verstärken.

Die Buchproduktion auf Papier wird immer teurer. Die Verlage drucken weniger und gezielter. Durch unterschiedliche Konditionen mit den einzelnen Verlagen können die öffentlichen Bibliotheken digitale Bücher mit einem Verzug von etwa neun Monaten nach der Veröffentlichung anbieten. Solange das so ist, bleibt das gedruckte Buch auf jeden Fall sehr wichtig, vor allem im Bereich Neuerscheinungen von Romanen. Langfristig muss man schauen, wie sich der Buchmarkt entwickelt. Im Moment sind wir aber optimistisch, gelesen wird weiterhin sehr gern.

Vielen Dank für das aufschlussreiche und spannende Gespräch!

Mehr lesen: