Ina Kronenberger: "Alle schlafen (bis auf Bo)"

Viele Bücher, die Ina Kronenberger aus dem Norwegischen und Französischen ins Deutsche übersetzt, spielen in der Nacht. Eines davon wurde kürzlich mit dem Luchs des Monats von Radio Bremen und der ZEIT ausgezeichnet. Im Interview mit Annika Depping erzählt sie mehr über Alle schlafen (bis auf Bo), das Übersetzen für Kinder und andere besondere Nacht-Bücher.

© Das gute Portrait

Sie haben das Bilderbuch Alle schlafen (bis auf Bo) von Kjersti Annesdatter Skomsvold ins Deutsche übersetzt. Worum geht es im Bilderbuch und was gefällt Ihnen daran besonders gut?

Das Bilderbuch zeigt Bo und seine Mama bei den Vorbereitungen auf die Nacht. Wir begleiten die beiden vom Abendessen bis zu dem Moment, wo Bo umringt von vielen Stofftieren müde und zufrieden im Bett liegt und in den Schlaf hinübergleitet. Dabei helfen viele Tiere und ihre Schlafgewohnheiten tatkräftig mit, und Bo und seine Mama spielen sich gegenseitig die Bälle zu. Mal weiß Bo, dass Papageien auf einem Bein schlafen oder er beim Zähneputzen am etwas zu hohen Waschbecken zu einer Giraffe mit ganz langem Hals werden muss, mal beruhigt ihn die Mutter in der Badewanne damit, dass er ja ein Seeotter oder ein Walross sein könnte und daher nicht Gefahr läuft, aufs offene Meer hinausgetrieben zu werden. Auch Bären, Fledermäuse und Erdmännchen tauchen auf. Das Ganze ist opulent illustriert, und die Tiere werden von Mari Kanstad Johnsen geschickt in die Geschichte eingewoben, sodass wir Kind und Mutter mal als Papageien, mal als Giraffen, mal als Fledermäuse sehen.

Was mir besonders gut gefällt: Das Buch hat nichts Belehrendes und Mutter und Sohn begegnen sich auf Augenhöhe. Der Ton ist humor- und liebevoll, und alle Leser und Vorleserinnen werden quasi animiert, die Geschichten weiterzuspinnen und um zusätzliche Tiere zu ergänzen. Ganz nebenbei lernen wir, wie Fische, Pandabären, Eichhörnchen, Mauersegler und viele andere Tiere schlafen.

Das Bilderbuch wurde mit dem Luchs des Monats September von Radio Bremen und der ZEIT ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen als Übersetzerin diese Auszeichnung?

Es ist einfach nur ein tolles Gefühl, dass ein von mir übersetztes Buch mit so einem renommierten Preis ausgezeichnet wird. Ganz besonders freut mich die Auszeichnung auch für die Autorin Kjersti Annesdatter Skomsvold, die sich bisher vor allem im Erwachsenenbereich einen Namen gemacht hat, und für die in Norwegen sehr angesehene Illustratorin Mari Kanstad Johnsen. Beide haben in ihrem Heimatland für ihre jeweiligen Arbeiten schon mehrere Preise eingeheimst. Dass sie nun für ein gemeinsames Projekt in Deutschland ausgezeichnet werden, ist grandios. Ich hoffe sehr, dass es sie zu weiteren gemeinsamen Büchern beflügelt.

Der Text in Alle schlafen (bis auf Bo) ist eher einfach formuliert, aber auch das bietet sicherlich Herausforderungen. Was gilt es zu beachten, wenn man für Kinder übersetzt?

Ich freue mich, wenn Sie die Sprache als „einfach“ charakterisieren, denn genau das hinzukriegen ist die Schwierigkeit. Die norwegische Literatursprache ist grundsätzlich dichter an der gesprochenen Sprache, und vieles, was auf Norwegisch ganz leichtfüßig daherkommt, stellt uns Übersetzer:innen vor Probleme, z.B. auch, dass im Norwegischen viel mit Wiederholungen gearbeitet wird. Manches wirkt bei uns – wie eine Lektorin von mir es einmal formuliert hat – regelrecht „töricht“, wenn man es wortgetreu übersetzt. Es gilt daher, eine Sprache zu finden, die im Deutschen genauso gut funktioniert und das Zielpublikum, hier Drei- bis Sechsjährige, erreicht.

Und gerade Bilderbücher werden ja, wie wir alle wissen, im Laufe eines Kinderlebens oft zigmal vorgelesen, da muss jeder Satz sitzen, gut aussprechbar sein und darf nicht Anlass zum Stolpern geben. Keine Übersetzung arbeite ich so oft durch wie meine Bilderbuchtexte. Ich vermute, dass ich den Text bei diesem Buch bestimmt zwanzigmal überarbeitet, immer wieder umgebaut und dann laut vorgelesen habe. Eine ganz besondere Herausforderung war das Gute-Nacht-Gedicht am Ende des Buchs.

Sie übersetzen ja jährlich viele Bücher und lesen sicherlich noch viel mehr: Was ist Ihr persönlicher Lesetipp zum Thema Nacht?

Da es immer schwierig ist, ein einzelnes Buch herauszugreifen, hoffe ich, Sie sehen es mir nach, wenn ich hier gleich zwei Bücher aus der „eigenen Produktion“ nenne, die sich bei dem Thema unmittelbar aufdrängen:

Das Bilderbuch Auf leisen Sohlen durch die Nacht von Marie Dorléans, das in zauberhaften, in Blautönen gehaltenen Illustrationen die Nachtwanderung einer vierköpfigen Familie beschreibt, an deren Ende als Höhepunkt und Ziel der Tour der Sonnenaufgang steht. Ein Highlight, das in unseren durchdigitalisierten und hochbeschleunigten Zeiten einen schönen Kontrast setzt und gleichzeitig eine Anregung zur Nachahmung bietet.

Bei der zweiten Empfehlung handelt es sich um einen literarischen Text des norwegischen Autors Dag Solstad: Professor Andersens Nacht. Professor Andersen, der allein lebt und zu Beginn des Buchs Heiligabend mit einem traditionellen Abendessen zelebriert, beobachtet zufällig, wie im gegenüberliegenden Wohnblock eine junge Frau ermordet wird. Diese schockierende Beobachtung wühlt ihn auf und lähmt ihn zugleich. Er weiß nicht, wie er sich verhalten soll, und sucht Hilfe bei Menschen, denen er sich nahefühlt. Doch was immer er unternimmt, er erlebt sich als zusehends isoliert in einer Gesellschaft, die er nicht mehr versteht. Ein raffiniertes Spiel des großen Autors mit der Außenseiter- und Beobachterrolle des Schriftstellers und zugleich ein kleiner Seitenhieb auf das Krimigenre, das er hier gekonnt unterläuft. Zugleich ist der Roman eine alternative Weihnachtslektüre ...

Ina Kronenberger

arbeitet als Literaturübersetzerin aus den Sprachen Französisch und Norwegisch vorwiegend im Bereich Belletristik. Von ihr übersetzte Autor*innen sind unter anderem Anna Gavalda, Dag Solstad, Per Petterson, Frode Grytten und Stian Hole. Ina Kronenberger lebt seit 1997 in Bremen. Geboren 1965 in Otterberg (Pfalz) hat Ina Kronenberger nach dem Abitur und Auslandsaufenthalten in Paris und Israel in Mainz und Freiburg Romanistik und Skandinavistik studiert. Sie ist Preisträgerin des Deutschen Jugendliteraturpreises 2010 in der Sparte Bilderbuch (mit Stian Hole: Garmans Sommer) und wurde für dieses Buch auch auf die IBBY Ehrenliste 2012 aufgenommen.

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