Julia Schnetzer: Plastik und das Meer

Medizinische Maske hängt im Gebüsch
© Rike Oehlerking

Plastik und das Meer - alte Geschichte, neue Protagonisten

Von Julia Schnetzer

Wenn ich momentan das Haus verlasse, ist es immer dasselbe, das mir sofort ins Auge springt: Medizinische Masken, die ja mittlerweile Pflicht sind, liegen auf der Straße. Egal wo, es ist ein Bild, das mittlerweile unseren Alltag prägt. Wenn ich eine einsame Maske am Boden flattern sehe, denke ich sofort an das Meer.

Ich habe, wie viele andere auch, die letzten Jahre damit zugebracht, die Menschen über die Folgen der Meeresverschmutzung aufzuklären. Aber die Menschen haben jetzt gerade andere Sorgen: Corona bestimmt die Schlagzeilen. Auch wenn das Virus keine Meeresbewohner befällt, werden sie trotzdem auf lange Sicht die Auswirkungen spüren. Nicht nur achtlos weggeworfene oder vielleicht auch versehentlich verlorene Masken können über Wind, Wetter und Flüsse ihren Weg ins Meer finden. Durch die Lockdown-Maßnahmen, Außer-Haus-Verkauf und Menschen, die sich vermehrt draußen aufhalten (da es ja irgendwie das Einzige ist, was uns geblieben ist), steigt auch der Müll in der Natur. Schätzungen zufolge landen pro Jahr im Schnitt acht Millionen Tonnen Plastik im Meer. Die am häufigsten an Stränden gefundenen Müllteile sind Essensverpackungen, Zigarettenkippen und Plastikflaschen. Aber nun berichten Wissenschaftler*innen weltweit das sie vermehrt medizinische Masken, Handschuhe sowie Desinfektionsfläschchen im Wasser finden.

Zwar hat die Pandemie dem Meer auch eine Verschnaufpause gegönnt: Sowohl die globale Fischerei als auch der CO2-Austoß sind über das Jahr 2020 stark gesunken. Aber die Vermüllung könnte nun weiter zugenommen haben und auch noch lange nach der Pandemie Probleme bereiten. Denn Plastik, ein künstlich hergestellter Stoff, kann auf natürlichem Weg kaum abgebaut werden und bleibt so über Jahrzehnte bis Jahrhunderte bestehen. Meerestiere fressen irrtümlicherweise Plastik oder verheddern sich in ihm, was fatale Konsequenzen nach sich ziehen kann. Auch in politischen Diskussionen wird die Pandemie missbraucht, um dafür zu argumentieren, Einweg-Plastikverbote, wie das der Plastiktüten, wieder Rückgängig zu machen.

 

„Letztendlich brauchen wir unsere Natur, egal ob Land oder Meer, am dringendsten für unser (Über)Leben.“

Wir brauchen die Masken, um uns und andere zu schützen. Wir brauchen Außer-Haus-Verkauf, um unserer Gastronomie eine Überlebenschance zu geben und wir brauchen unsere Ausflüge, um nicht zu Hause durchzudrehen. Dabei sollten wir aber weiter darauf achten, mit unserem Müll sorgsam umzugehen. Denn letztendlich brauchen wir unsere Natur, egal ob Land oder Meer, am dringendsten für unser (Über)Leben.

Porträt von Julia Schnetzer
© Gabriela Valdespino

Julia Schnetzer

wurde 1985 in München geboren. Sie studierte Biologie in Köln, an der University of California in Merced sowie am Smithsonian Tropical Research Institute in Panama und promovierte in Mariner Mikrobiologie am Max Planck Institut in Bremen. Sie erforscht seit Jahren die Mikro- und Makroorganismen des Meeres und war von 2017 bis 2020 wissenschaftliche Koordinatorin der internationalen Wanderausstellung Ocean Plastics Lab, die sich mit der Meeresverschmutzung durch Plastik beschäftigt. Im April erscheint ihr Sachbuch Wenn Haie leuchten (hanserblau 2021).

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