Im letzten September wurden Barbara Hüchting und ihr Team des Findorffer Bücherfensters mit dem Bremer Buchhandlungspreis ausgezeichnet. In diesem Jahr war sie Teil der Jury, die die neue Preisträgerbuchhandlung auswählt. Während einer Tasse Kaffee hat sie mit Annika Depping vor dem Bücherfenster gesessen und verraten, warum Bremen ein glückliches Pflaster für Buchhandlungen ist, welche Romane sie besonders gerne liest und worauf sie sich bei der nächsten Preisverleihung freut.
Liebe Barbara, vor fast einem Jahr wurde dein Findorffer Bücherfenster mit dem Bremer Buchhandlungspreis ausgezeichnet. Was hat das für dich bedeutet?
Ich war damals wirklich überrascht, denn ich war sicher, dass eine andere Buchhandlung ausgezeichnet werden würde. Das Findorffer Bücherfenster hatte in einem der Vorjahre schon einen Anerkennungspreis erhalten, darum stand das für mich 2024 noch gar nicht wieder an. Deshalb dachte ich eigentlich, ich mache mir dort einfach einen netten Abend mit meinem Team und den anderen Buchhändler*innen. Als ich dann bei der Preisverleihung die Bilder aus dem Bücherfenster gesehen habe, brauchte es eine ganze Weile. Ach Quatsch!, dachte ich, aber natürlich habe ich mich sehr gefreut. Natürlich machen wir in der Buchhandlung wirklich viel und es war toll, dafür ausgezeichnet zu werden.
Was hat die Auszeichnung für dich und das Bücherfenster bewirkt?
Was ich an Preisen so besonders finde, ist, dass sie so viel Freude auslösen. Wir Buchhändler*innen haben uns gefreut, aber auch die Kund*innen – für uns, aber auch für sich selbst: Immerhin ist es ihre Buchhandlung! Das ist beim Bremer Buchhandlungspreis ja insbesondere so, weil er eben so lokal ist. Ein Preis strahlt in die Welt, aber auch in den Stadtteil.
Wenn du den Stadtteil ansprichst: Wir sitzen gerade auf einer Bank neben dem Bücherfenster und du kennst fast alle der Passant*innen hier, plauderst, grüßt, hast die Läden ringsum im Blick – das Findorffer Bücherfenster ist ja ganz fest im Stadtteil verankert…
Für mich ist das Bücherfenster ein Ort, den ich kuratiere, ich passe auf ihn auf, habe natürlich viele Ideen. Es ist ein Ort von Findorff für Findorff. Der gehört mir nicht, auch wenn ich viel bewege. Zum Glück nehmen die Findorffer*innen das Angebot an und wir passen sehr gut zusammen. Ich weiß dadurch, dass dieser Ort auch ohne mich selbst weiter bestehen könnte, was ich sehr tröstlich finde. Und unser Stadtteil ist toll, wir sind hier sehr gern.
Darum ist im letzten Jahr auch die Idee zu Findorff liest! entstanden. Ich bin sehr aktiv bei den Findorffer Geschäftsleuten. Jedes Jahr organisieren wir dort ein Heimatshoppen – nun dachte ich durch eine fehlerhafte Terminliste, dass das auf das gleiche Datum wie Bremen liest! fallen würde. Also haben wir eine Veranstaltung gestrickt. Letztendlich gab es gar keine Terminüberschneidung, aber es war toll! Ich kenne viele Autor*innen aus dem Stadtteil, die wir für Kurzlesungen in verschiedene Geschäfte einladen konnten. Auch dieses Jahr gibt es die Veranstaltung wieder am 12. September.
Was ich mit dem Findorffer Bücherfenster verbinde, ist dein tolles Gespür für Autor*innen: Du hast oft ganz besondere Gäste und – dafür, dass der Laden wirklich klein ist – gigantische Veranstaltungen. Wie machst du das?
Ich lasse mich durch Verlagsvorschauen inspirieren und vertraue dann auf mein Gefühl: Wenn ich merke, dass ein Titel mit mir etwas macht, dann habe ich immer direkt die Idee einer Lesung im Hinterkopf. Dann geht es meist um Orte: Für meinen Laden brauche ich kleinere Veranstaltungen, hier bekomme ich mit Ach und Krach 40 Personen rein. Für mittlere Veranstaltungen gehen wir in den Schlachthof, da sprechen wir ein junges Publikum an, und für große Veranstaltungen geht es ins Alte Pumpwerk. Jede Veranstaltung muss sich für uns tragen. Denn wir handeln, wir sind nicht nur eine Kultureinrichtung. Jede Veranstaltung braucht viel Einsatz von meinem Team und natürlich muss das auch bezahlt werden.
Auf welche neuen Ideen und kommenden Veranstaltungen des Findorffer Bücherfensters dürfen wir uns denn in den nächsten Monaten freuen?
Findorff liest! am 12. September habe ich schon angesprochen, davor sind wir am 5. September mit gleich zwei Lesungen bei Bremen liest! dabei: Um 19 Uhr liest Gianna Lange und um 21 Uhr Leyla Bektaş. Am Tag darauf wird unsere Blind Date-Lesung mit einer*m der Shortlist-Kandidat*innen für den Deutschen Buchpreis nachgeholt – die sollte eigentlich bereits im letzten Jahr stattfinden. Ich bin schon gespannt, wer dann ins Bücherfenster kommt! Am 26. September kommt Zoran Drvenkar während der Crime Time ins alte Pumpwerk und liest aus Asa. Wir planen außerdem Lesungen mit Volker Weidermann und Verena Keßler – dazu in Kürze mehr.
Wir haben ja schon über dein Gespür für gute Bücher gesprochen. Was sind deine aktuellen absoluten Favoriten?
Im Frühjahr war Sarah Lorenz mit Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken zu Gast, das ist wirklich ein tolles Buch. Einer Kundin habe ich gerade wieder Für Polina von Takis Würger empfohlen, ich finde es klasse, was für starke Frauenfiguren er in jedem Roman entwickelt. Ganz überrascht war ich von Asa von Zoran Drvenkar: Kill Bill trifft auf Tribute von Panem, sehr archaisch und radikal, weil es im Deutschland von hier und heute spielt. Gerade angefangen habe ich einen ganz tollen Roman für starke Nerven: Ein Schrei im Ozean von Benoit d`Halluin aus dem Karl Rauch Verlag, das ist nicht nur toll ausgestattet, sondern auch thematisch ein Rundumschlag über Sklaverei und alles, was wir dem Meer antun – wir wissen so vieles nicht! Zuletzt noch: Ich freue mich auf Gym von Verena Keßler, das macht richtig viel Spaß!
Die Bremer Buchhandelsszene ist eine vielfältige, trotzdem verändert sie sich ständig. Vor Kurzem hat die Traditionsbuchhandlung Otto und Sohn in Vegesack geschlossen, einige Wochen davor wurde in Horn mit dem Literaturplatz eine neue, unabhängige Buchhandlung eröffnet. Wie schätzt du die Situation für Buchhandlungen heute ein? Mit welchem Gefühl beobachtest du die Entwicklungen?
Ich versuche stets ein Augenmerk auf die positiven Entwicklungen zu haben. Natürlich war ich sehr traurig über das Ende von Otto und Sohn, gleichzeitig bewundere ich die Kraft und Intensität, mit der es erhobenen Hauptes eingeleitet wurde – diese Buchhandlung hat so viel bewegt! Aber ich sehe auch die vielen guten Entwicklungen: In den letzten Jahren sind neue Buchhandlungen in Horn und Peterswerder entstanden und es gab sehr erfolgreiche Übergaben von Albatros und der Buchhandlung Ostertor, die Buchhandlung Buntentor hat sich etabliert. Ich finde, Bremen ist ein glückliches Pflaster für Buchhandlungen. Es gibt offenbar viele treue Buchkund*innen hier.
Bei der Verleihung des Buchhandlungspreises im letzten Jahr betonte Irene Nehen von der Buchhandlung Melchers auch, wie kollegial das Miteinander der Buchhandlungen in Bremen ist. Wie kann man sich den Austausch zwischen euch Buchhändler*innen vorstellen?
Wir sind Kolleg*innen, keine Konkurrent*innen, das finde ich ganz wichtig. Alle unabhängigen Buchhandlungen wollen lebendige Orte sein und da befruchten wir uns gegenseitig. Manchmal haben Kund*innen ein schlechtes Gewissen, weil sie ein Buch nicht bei mir, sondern bei Albatros oder woanders gekauft haben. Aber ich finde: Alle sollen in unabhängige Buchhandlungen kommen. Mit unseren Unterschiedlichkeiten sind wir alle für die Leser*innen da und in Bremen gibt es ja eine große Vielfalt. Darum geht es uns ja auch allen: die Bremer Literaturszene bunt zu halten. Das war mir auch in der Jury für den diesjährigen Buchhandlungspreis wichtig, die enorme Arbeit der Kolleg*innen anzuerkennen und wertzuschätzen, was in den verschiedenen Stadtteilen bewegt wird. Darum freue ich mich schon auf die diesjährige Preisverleihung – für uns ist es das Branchentreffen und es ist wirklich schön, einander kennenzulernen und den Austausch weiter zu stärken.
Vielen Dank für deine Gastfreundschaft und das herzliche Gespräch!
Die Buchhandlung Findorffer Bücherfenster
findest du mitten in Findorff an der Hemmstraße. Das Sortiment beinhaltet vor allem Belletristik, Krimis und Kinder- und Jugendliteratur, eine Auswahl an Biografien und Sachbüchern, sowie aktuelle Lieblingsbücher aus den Bereichen Do-It-Yourself, Kochen und Garten. Einige Bremensien, außergewöhnliche Postkarten sowie eine kleine Auswahl an Geschenkartikeln runden das Programm ab. Seit Februar 2010 ist Barbara Hüchting mit großer Freude und viel Herzblut Inhaberin der Buchhandlung. Die befindet sich für sie im perfekten Stadtteil und sie freut sich täglich auf und über das aufgeschlossene und vielseitige Publikum.
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