Im September haben die Zines wieder ihren großen Auftritt in Bremen. "Ähm, Zines?", fragst du dich? Was genau hinter dem Begriff steckt, was dich vom 08. bis 10. September in der Städtischen Galerie im Buntentor erwartet und warum Zines für Freiheit stehen, das alles hat der Initiator und Organisator des Zine Festivals Annika Depping im Interview verraten.
Lieber Gregor, erzähl uns doch etwas über die Entstehung des Zine Festivals: Seit wann gibt es das Festival und wie kam es zur Idee?
Das Festival gibt es seit 2018. Der konkrete Auslöser war ein Abend in einer Kneipe. Ich war in einer Ausstellung einer Klasse von Kati Barath von der HFK zu Zines und Grafikheften und anschließend in der Kneipe hat eine Freundin vorgeschlagen, dass Kati und ich etwas zusammen auf die Beine stellen sollten. Was auch inhaltlich gepasst hat. Zu der Zeit habe ich schon einige Jahre den raum404 betrieben und immer wieder Ausstellungen im Bereich Grafik, Comics und Zines gemacht. Dabei habe ich gemerkt: Es gibt unheimlich viele Leute in Bremen, die in diesem Feld unterwegs sind, die sich aber nicht kennen und noch nicht einmal voneinander wissen. Ich hatte schon eine Weile die Idee, zur Vernetzung beizutragen. Ich habe dann das Festival in den Raum geworfen und Kati hat direkt ja gesagt. Wer mich kennt, weiß, dass man mir so etwas nicht sagen darf, ich nehme das dann ernst. So kam es, dass das erste Festival in der Galerie der HFK in der Dechantstraße stattfand. Jetzt sind wir nach Zwischenstationen im Tor40 und in der Weserburg das zweite Mal in der Städtischen Galerie im Buntentor.
Mehr Infos zum Festival gibt's hier
Erst einmal vorweg: Was genau sind denn Zines überhaupt?
Zines, für die, die es nicht wissen, sind selbstgemachte Hefte zu unterschiedlichsten Themen. Das kann von klassischen Fanzines, etwas Musikfanzines, über politische Zines bis hin zu Grafik-, Kunst-, oder Info-Zines gehen. Zine ist eben eine Abkürzung von Magazine. Wichtig ist dabei vor allem das „Selbstgemachte“.
Erzähl doch mal: Wie kann man sich das Festival vorstellen, wenn man noch nie da war?
Das Festival muss man sich wie eine Messe vorstellen. Aussteller*innen aus Bremen und der ganzen Welt – dieses Jahr sogar aus Japan – reisen nach Bremen und präsentieren ihre Arbeiten.
Neben diesem Messeteil habe wir auch immer eine Rahmenprogramm ausgerichtet, das sich an die verschiedensten Leute richtet. Seit dem ersten Festival gibt es Lesungen, Fachvorträge und auch Worshops und Workspaces. Dieses Jahr wird es zum Beispiel zum zweiten Mal einen Comicbattle geben, der am Freitag nach dem Festival im Kukoon stattfinden wird. Dort wird es ebenfalls ein Podiumsgespräch zum Thema Feminismus und Punk geben.
Die Stimmung war immer super, was man auch daran ablesen kann, dass einige auswärtige Aussteller*innen bereits wiederholt zu Gast sind. Die Besucher*innen waren begeistert. Das war zumindest mein Eindruck und die Aussteller*innen haben alle gut verkauft – von der Schlange im Museum Weserburg ganz zu schweigen. Wegen Corona gab es zu der Zeit Zugangsbeschränkungen und es waren zeitweise sogar mehr Personen in der Schlange als tatsächlich im Museum. Das war ganz schön fordernd für uns, aber es war eine super Stimmung und niemand war genervt vom Warten.
In diesem Jahr sind Künstler*innen aus vielen verschiedenen Ländern mit dabei, außerdem gibt es rund ums Festival mit Making a Scene eine Ausstellung zum Comicmagazin Stripburgern aus Ljubljana sowie einen Workshop mit zwei Künstlern aus Slowenien. Wie wichtig ist der internationale Austausch für die Comicszene?
Deutschland ist Comicentwicklungsland und auch die Zine Szene fristet eher ein Nischendasein, im Vergleich zu anderen Ländern. Vor allem Frankreich, Spanien, Belgien, aber auch Italien sind da ganz anders aufgestellt. In Holland gibt es ein großes Comicmuseum in Groningen. Da ist internationaler Austausch schon etwas sehr Wichtiges. Gerade auch Magazine wie Stripburger oder kuš aus Riga, die auch schon zu Gast im raum404 waren, veröffentlichen nicht nur Künstler*innen aus ihren Ländern, sondern agieren international.
Vielleicht muss man auch noch zwischen „Mainstreamcomics“ wie sie bei Splitter oder Carlsen erscheinen unterscheiden und Independent Comics. Independent Comics haben immer noch einen schweren Stand und die Szene ist eine internationale Community. Da sind internationale Kontakte etwas sehr Wertvolles. Was man ja auch daran sieht, dass wir immer mehr internationale Gäste haben. Magazine wie Stripburger oder kuš geben immer wieder jungen Künstler*innen die Gelegenheit ihre Arbeiten einem breiteren Publikum zu präsentieren. Ein Festival oder die Ausstellung sind dann Gelegenheit sich zu informieren und eventuell auch die Leute direkt kennenzulernen.
Uns und mir geht es mit dem Festival und auch den Ausstellungen im Raum404 darum, einen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus zu werfen und bestenfalls Leute von anderswo kennenzulernen und etwas über sie und ihre Arbeit zu erfahren. Manchmal ergeben sich weitere Kontakte.
Worauf freust du dich im diesjährigen Programm besonders?
Auf das Abbauen am Montag! Ne, Scherz beiseite, ich freu mich auf das ganze Festival, auf die Aussteller*innen, die wieder da sind, auf die Aussteller*innen, die das erste Mal da sind. Auf die Lesungen und den Workspace von The Rapid Publisher und die Vorträge, und alles eben. Besonders freue ich mich aber, wenn ich ehrlich bin, auf die beiden Abendveranstaltungen im Kukoon, weil ich mich da mal nach hinten lehnen und genießen kann.
So ein Festival zeigt es ja: Die Comic- und Zine-Bewegung hat im Moment Aufwind – oder wie schätzt du das ein?
Ah, und die schwierigste Frage am Schluss! Erst mal muss man da Comics und Zines voneinander unterscheiden…
Ok, dann lass uns doch mit den Comics starten…
Comics habe es immerhin schon ins FAZ Feuilleton geschafft. Den Begriff Graphic Novel benutze ich nicht, aber das kann ich mal wann anders erklären. Auf der anderen Seite gab es Anfang der 2000er noch dre Comicshops mehr in Bremen als momentan. Und „Comics“ im Vergleich zu „Graphic Novels“ fürs Bildungsbürgertum, werden ja immer noch nicht wirklich erstgenommen. Aber das nur am Rande.
Und die Zines?
Ja, Zines werden ein immer bekannteres kulturelles Phänomen. Das kann man an verschiedenen Punkten ablesen. Es gibt ein Zine Fest in Leer. Die Leute, die das organisieren, werden auch mit einem Tisch da sein. In München gibt es eine Zine Library, die angedockt ist an die Städtischen Bibliothek. In Berlin gibt es mehrere Festivals, und Locations, wo man verschieden Zines bekommen kann. Und dann gibt es noch den ganzen Bereich Fanzines, die in den jeweiligen Szenen kursieren. Fußball Zines hier als Schlagwort! Also ja, ich habe den Eindruck, dass Zines etwas mehr in der Öffentlichkeit ankommen.
Aber zurück zur Frage nach der Situation der Szene: Eine einfache Antwort gibt es da nicht. Das liegt auch daran, dass Zines ein so vielfältiges Medium sind, eben vom Informationsmedium für einzelne Szenen bis zum Medium eines künstlerischen Ausdrucks. Da gelten dann jeweils ganz unterschiedliche Gesetzmäßigkeiten. Fußballzines kursieren teilweise wirklich nur in den Stadien im Handverkauf, aus der Szene für die Szene, sozusagen. Es ist nicht wirklich eine kohärente „Bewegung“. Das macht Zines aber auch so spannend. Alle dürfen und alle können!
Vielleicht kommt trotzdem in den ganzen verschiedenen Bereichen etwas Gemeinsames zum Ausdruck, so etwas wie ein Bedürfnis danach selbst gestaltend eingreifen, sich auszudrücken und handeln zu können. Dieses DIY – also Do It Yourself – Element ist ein gemeinsamer Nenner, macht aber noch keine Szene. Nazi-Zines haben auf jeden Fall keinen Platz bei uns, auch wenn sie selbst gemacht sind. Ebenso wie Nazi-Comicverlage. Und auch das gibt es inzwischen.
Was fasziniert so an Zines?
Ich vermute ein Bedürfnis nach einem analogen Raum hinter der verstärkten Aufmerksamkeit, die Zines als kulturelles Phänomen erfahren. Und mit Zines ist ja auch ein Element der Freiheit verbunden, das die digitale Welt gar nicht mehr kennt. In der digitalen Welt bewegt man sich ausschließlich auf den engen, durch die Apps und Programme vorgegeben Wegen. Da bieten Zines natürlich einen anderen Gestaltungsraum und machen ein anderes Angebot sie zu rezipieren, zu lesen, zu konsumieren.
Ob diese Aufmerksamkeit vorhält, weiß man nicht. Zines sind ein kulturelles Phänomen, das sich kontinuierlich verschiebt. In den 80er und 90er Jahren gab es eine Menge Musikfanzines. Da ist nicht mehr so viel übrig. Das Trust aus Bremen gibt es übrigens seit weit über 30 Jahren, was echt eine Ausnahmeerscheinung ist! Das ist dann sogar älter als Stripburger, das letztes Jahr 30 wurde. Dafür beobachte ich in den letzten Jahren, dass es viele Zines mit einem feministischen und queeren Hintergrund gibt, was angesichts des konservativen Rollbacks der letzten Jahre nur zu begrüßen ist. Ich gehe auf jeden Fall davon aus, dass weiterhin Zines gemacht werden, ganz egal ob ein großes öffentliches Interesse besteht oder nicht.