Im neuen Gewand: Crime Time 2024

Perdita Krämer ist seit 2016 für die künstlerische und organisatorische Leitung des Bremer Krimifests Crime Time verantwortlich und hat das Festival in diesem Jahr einmal auf den Kopf gestellt. Im Interview hat sie mit uns über die diesjährige Planung geplaudert.

Das Bremer Krimifest Crime Time hat zu seinem 26. Jubiläum einen neuen Anstrich bekommen. Was hat sich im Gegensatz zu den letzten Jahren verändert?

Eine wesentliche Veränderung ist, dass ich in diesem Jahr von einem kleinen Kreis ehrenamtlicher, Krimi-affiner Menschen bei der Planung unterstützt wurde (zum "beratenden Kreis" gehören Meike Dannenberg, Jutta Günther, Barbara Hüchting, Axel Stiehler, Ralf Knapp und Jürgen Alberts). Dieser "Veränderung hinter den Kulissen" steht eine nicht zu übersehende äußere Veränderung gegenüber: Durch den Arbeitseinsatz von Julia Janßen und Axel Stiehler von Blaukontor haben Broschüre und Homepage jetzt ein neues, frischeres Erscheinungsbild. Das heißt nicht, dass das "alte Erscheinungsbild" weniger gut war, aber es erschien mir sinnvoll und wichtig, ganz klar nach außen zu zeigen: "Hier tut sich was! Werft einen Blick in die Broschüre - es lohnt sich!" 

Inwieweit hat die Unterstützung der anderen Krimiaffinen dem Krimifest geholfen?

Für mich hat es einen riesigen Unterschied gemacht, nicht mehr ausschließlich "im eigenen Saft zu schmoren", sondern Impulse und Anregungen von Dritten zu bekommen. Außerdem macht es mehr Spaß, im Team zu denken. In lockerer Atmosphäre haben wir uns ausgetauscht, über "Lieblingsautor*innen"und solche, von denen wir glauben, dass sie sich positiv auf die Besucherzahlen auswirken. Natürlich war man sich nicht immer einig - aber genau das ist ja oft gerade spannend - und kreativ. Über allen Unterschieden stand das gemeinsame Ziel mit einem kleinen Budget ein qualitativ hochwertiges Programm auf die Beine zu stellen. Und in jedem Fall hat mich das Team "mutiger" gemacht - in den vergangenen Jahren habe ich bei der Programmerstellung so kalkuliert, dass ich immer auf der finanziell sicherern Seite war. In diesem Jahr habe ich das ewige Grübeln darüber, ob das Budget nicht längst ausgeschöpft ist, beiseite geschoben und hauptsächlich inhaltlich gedacht. Ich denke, ein bisschen waghalsig war die ein oder andere Entscheidung schon, aber wenn sie sich positiv auf die Zuschauerzahlen auswirken, dann hat sich der Mut gelohnt. 

Das Portrait zeigt Perdita Krämer.
© privat

Den neuen Titel der Stadt Bremen als UNESCO City of Literature wollten Sie auch im Krimifest widerspiegeln, allerdings trotzdem lokale Krimiautor*innen hervorheben. Wie ist Ihnen diese Balance gelungen?

Mir war und ist es wichtig zu zeigen, dass man nicht immer in die Ferne schauen muss, um Qualität zu finden. Als Janin Rominger vom Literaturkontor auf mich zu kam und fragte, was ich denn davon halte, eine Bremer BuchPremiere in die Broschüre mit aufzunehmen, habe ich sofort begeistert zugesagt. Aus einer BuchPremiere wurden zwei und dann kam noch eine dritte dazu. Ich liebe es ja immer, Inhalte und Orte passend zusammenzubringen und so machte ich dann den Vorschlag, die BuchPremiere von Liliane Fontaines neustem Südfrankreichkrimi im Institut Français und die von Meike Dannenbergs Die Ärztin - Gefährliche Nachtschicht im Schwurgerichtssaal stattfinden zu lassen - letzteres hat sich leider für dieses Jahr doch noch zerschlagen, aber der Theatersaal des bremer kriminal theaters sprang als würdige Alternative ein. Die dritte Bremer BuchPremiere war ohnehin schon seitens des Literaturkontors passend zum Buchtitel Mord im Schnoor (Karina Skwirblies) im Bremer Geschichtenhaus angesetzt. 

Drei schöne, runde Veranstaltungen in Bremen von drei Autorinnen, die in Bremen leben. Als "kriminalistische Bremensie" habe ich die Organisatoren der open stage Bremen gefragt, ob es denkbar wäre, eine rein Krimi-bezogene offene Bühne auszurichten. Kaum war der Plan gefasst, hatten sich auch schon genügend Menschen gemeldet, die ihr "kriminalistisches" Können auf einer großen Bühne präsentieren wollen. Dem gegenüber stehen Veranstaltungen mit Autor*innen aus ganz Deutschland und die Lesung eines nicht in Deutschland lebenden Autors. 

Sie leiten das Krimifest Crime Time jetzt schon seit einigen Jahren. Was finden Sie an dem Genre so spannend und was bedeutet das Krimifest Bremen für Sie?

Ich gehöre zu denjenigen, die durch Enid Blytons Fünf Freunde und durch Die drei Fragezeichen "zum Krimi kamen". Es begann mit Kassetten und sobald ich lesen konnte, wurde ich zu einer regelrechten "Buchverschlingerin" - auf Die drei Fragezeichen folgten Edgar Wallace, Agatha Christie und Arthur Conan Doyle und dann gab es einen sehr ausführlichen Ausflug in die Fantastik, bevor - auch durch das Studium der neueren deutschen Literaturwissenschaft - das Genre Krimi für mich wieder an Bedeutung gewann. Als Kind war es vor allem der Nervenkitzel, der mich zum (Kinder) Krimi zog - das Lösen von Rätseln, das Geraten in gefährliche Situationen. Und natürlich das "positive Ende": Das Verbrechen wurde aufgeklärt, die Täter wurden gefasst. Je mehr unterschiedliche Krimis ich las, desto klarer wurde mir, dass Krimi nicht gleich Krimi ist, dass klassische Whodunnits nicht unbedingt die für mich attraktivsten Vertreter des Genres sind. Das spannendste am Genre Krimi ist für mich seine Vielfältigkeit, mal kommt er sozialkritisch daher, mal historisch, aber durchaus auch mal im Fantasy-Gewand. Diese unterschiedlichen Facetten des Genres waren es auch, die letztendlich dazu führten, dass es in Bremen jetzt ein Kriminaltheater gibt - Whodunnits bis ans Lebensende auf die Bühne zu bringen, war für mich nämlich nie eine Option. 

Das Krimifest Bremen ist für mich zum einen eine Möglichkeit zu zeigen, dass Kriminalliteratur nicht zwingend Trivialliteratur sein muss - na gut, mein Ausflug ins Edgar Wallace-Universum war wahrlich kein Ausflug in die hohe Literatur. Je mehr Krimis ich las, desto häufiger fielen mir Krimis in die Hände, die mit ihren nicht wenigen Geschwistern mit seichtem Inhalt, einfachem, schwächelndem Plot so gar nichts mehr zu tun haben. Ein Krimi kann ausschließlich der Unterhaltung dienen, er kann aber auch etwas bewegen, und obwohl es viele nicht  gut geschriebene Krimis gibt, steht fest: Kriminalromane können qualitativ hochwertige ernst zu nehmende Literatur sein. 

Zum anderen ist das Bremer Krimifest eine Art Buffet, an dem mir und allen Besucher*innen kleine “Appetithäppchen” serviert werden, die Lust auf mehr machen, und da ich das Buffet ausrichte, habe ich Auswahl auf die Art der "Häppchen". In erster Linie ist das Krimifest für mich aber eine Art Brücke, die Menschen, welche vielleicht nicht ganz so kulturaffin sind, Zugang zu den unterschiedlichen Veranstaltungsorten, zu Buchhandlungen, zum Theater ermöglicht. 


Ein Krimi kann ausschließlich der Unterhaltung dienen, er kann aber auch etwas bewegen: Kriminalromane können qualitativ hochwertige, ernst zu nehmende Literatur sein.


Was sind Ihre persönlichen Highlights dieses Jahr? Auf was kann sich das Publikum ganz besonders freuen?

Ach, eigentlich setzt sich das Programm aus ganz vielen Highlights zusammen - da ist es total schwierig, einzelne Veranstaltungen hervorzuheben. 

Ich tue es jetzt aber doch: Bei einem der Austauschtreffen entstand plötzlich die Idee, jedes Jahr auf dem Krimifest einen (kleineren) Verlag mit besonderem Programm zu präsentieren. Sehr schnell landeten wir gedanklich bei Ariadne, der politischen Frauenkrimireihe des Argumentverlags. Und dann hatten wir die Idee, Ese Laudan einzuladen, ihre aktuellen Lieblingskrimis und deren Autorinnen vorzustellen. Gemeinsam mit Jutta Günther als Moderatorin begeben wir uns auf die Spur des feministischen Kriminalromans. Am Donnerstag, dem 26.09. findet um 19:30 die Veranstaltung statt, die aus der Idee der Verlagsvorstellung entstanden ist: Einfach auf Männer drauf hauen, und fertig ist der feministische Kriminalroman? Ich selbst bin total neugierig auf die Veranstaltung. 

Weitere persönliche Highlights sind die vom Findorffer Bücherfenster organisierte Autorenlesung mit Sven Stricker im Alten Pumpwerk, der True Crime Vortrag Wie töte ich meine Schwiegermutter? im bremer kriminal theater, die Lesung von Frauke Buchholz aus Skalpjagd mit musikalischer Begleitung im bremer kriminal theater, bei der wir in literarischen Kontakt mit der indigenen Bevölkerung Kanadas kommen, die Lesung mit Thrillerautor Linus Geschke im Beerdigungsinstitut Vialdie - ups, ich zähle ja wirklich alle auf - und natürlich Südafrikas bekanntester Schriftsteller Deon Meyer in der Georg-Büchner-Buchhandlung. Am besten schaut man in die Broschüre oder auf die Homepage und sucht sich sein eigenes Highlight raus! 

Die diesjährigen Prime Time - Crime Time Veranstaltungen:

Wieso hat Bremen eigentlich ein Krimifestival? Wenn du dich für die Geschichte der Prime Time - Crime Time interessierst, lies unbedingt im Interview mit Festivalgründer Jürgen Alberts nach.

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