Mit ihrem Buch Schwarzer Rolli, Hornbrille fordert Karin Hartmann einen Wandel in der Planungskultur. Durch ihr Architekturstudium und ihre spätere Arbeit in der Wettbewerbsbetreuung kann Karin Hartmann auf ihre eigenen Erfahrungswerte zurückblicken. Auf sehr verständlicher Ebene beschreibt sie in ihrem Buch die diversen Problematiken, die sich hartnäckig im Bereich der Architektur halten: vom Berufsethos des „Architekten“, welcher der jungen Generation bereits im Studium indoktriniert wird, über die durchaus problematische Heroisierung von sogenannten „Star-Architekten“ hin zu den sehr realen Sorgen der Benutzerinnen des öffentlichen städtischen Raumes. Das Glossar am Ende des Buches bietet eine wichtige Hilfestellung, um jeder Person die Möglichkeit zu geben, sich nicht von den Begrifflichkeiten abschrecken zu lassen.
Doch das Buch bietet nicht nur Einblicke in das aktuelle Geschehen, sondern blickt auch auf bereits geführte Debatten, wie die Rolle von #metoo in der Baubranche, und wichtige Akteur*innen dieser Thematik zurück. So kann es auch als Nachschlagwerk für weitere interessante Texte und Bücher zu den verschiedensten Aspekten der Gleichstellung in der Architektur dienen. Ein Interview mit der niederländischen Architektin und Forscherin Afaina de Jong bietet zum Abschluss einen tollen Einblick in die Gedankenwelt einer Frau, die versucht, intersektionale feministische Handlungspraxis räumlich umzusetzen.
Leslie Kern ist Stadtforscherin und Feministin. In ihrem Buch Feminist City geht sie also der Frage nach, wie eine feministische Stadt aussehen kann. In fünf Kapiteln widmet sie sich den verschiedenen Bereichen des Städtischen und zwar aus einer intersektionalen Perspektive. Intersektional meint hierbei, dass verschiedene Linien der Ungleichheit miteinander verwoben werden, wie z.B. Klasse, Geschlecht, körperlicher Zustand oder Hautfarbe.
Ein zentraler Bestandteil sind hierbei Bedürfnisse. Besonders der Abschnitt „der öffentliche Körper“ zeigt anschaulich, wie die Bedürfnisse weiblicher Körper zum Politikum des Städtischen werden. Ob schwanger, stillend, menstruierend, die Bedürfnisse des Weiblichen finden oft keinen oder einen überaus exponierten Platz im öffentlichen Raum. Auch Themen wie Mobilität, Sicherheit, Freizeit und Versorgung werden unter die Lupe genommen, um konkrete Beispiele für Hürden für Frauen bzw. FLINTA* Personen im städtischen Alltag herauszustellen.
Kerns Beobachtungen und Analysen gewähren niedrigschwellig und unterhaltsam Einblicke in eine Utopie der gerechten Stadt, in der die Bedürfnisse Aller gleichsam zur Geltung kommen.
Lesetipp von Céline Schmidt-Hamburger
Eine ausführliche Rezension von Sophie Krone für die Frauenseiten findet sich hier.
*FLINTA = Frauen, Lesben, Inter, Nicht-Binäre, trans, Agender
Architektur für Alle?!
heißt eine aktuelle Publikation und Ausstellung im Wilhelm Wagenfeld Haus. Darin geht es um Emanzipatorische Bewegungen in Planung und Raum. Ziel ist eine kritische Bestandsaufnahme der Situation von Frauen im Feld der Architektur in Bremen von 1945 bis heute und der ungleichen Bedingungen von Raum für alle Menschen, die ihn bewohnen. Welche Schlüsselrolle nimmt die Architektur als raumplanende und -gestaltende Disziplin hier ein? Denn die Gleichbehandlung der Geschlechter ist in Deutschland zwar ein verfassungsrechtlich verbrieftes Gut, sie ist aber auch 2022 weiterhin eine Baustelle: Noch immer beschränken alte und neue gesellschaftliche Strukturen das Recht auf Gleichstellung und ihre Umsetzung. Die Ausstellung ist eine Kooperation des b.zb in Kooperation mit dem Wilhelm Wagenfeld Haus sowie mit der School of Architecture und der Gleichstellungsstelle der Hochschule Bremen. Kuratiert von: Insa Meyer, Christian von Wissel, Jörn Tore Schaper, Frederieke Schons, Sophie Krone, Céline Schmidt-Hamburger und Sophia Wolfrat.