Satzwende: Behzad Karim Khani (2/2)

Foto eines üppigen Gartens
© Rike Oehlerking

II

Von Behzad Karim Khani

Wir waren die neue Angst des Gastgebers und wir waren mit ihm eingesperrt. Mit seinen Neurosen, seinen Ausbrüchen, seiner Irrationalität. Nichts, absolut nichts deutete die Möglichkeit eines Miteinanders an. Wir richteten es uns ein im Provisorischen.
Heute, fünfunddreißig Jahre später bin ich immer noch genau dort. Deutschland hat sich verändert, ist mir aber nie ein Zuhause geworden. Ich gehöre nicht hierher. Das hat mir dieses Land schon sehr früh und sehr deutlich zu verstehen gegeben. Ich habe mich darüber nie beschwert, werde es auch hier nicht tun. Ich gehöre nicht hierher, ich weiß es. Und ich werde gehen, sobald es möglich ist. Wie meine Eltern gegangen sind, sobald es möglich war. Es herrscht also Einvernehmen, zwischen diesem Land und mir, was das angeht.
Ein Mal erklärte mir mein Vater seinen Patriotismus.
„Der Iran ist meine Heimat. Er ist wie mein Garten.“
Und dann sagte er, sein Garten sei nicht besser oder schöner als der seines Nachbarn, aber hier habe er etwas gepflanzt. Er habe diesen Garten gegossen, habe nach ihm geschaut. Er habe sich um ihn gesorgt, sich über ihn geärgert, ihn geliebt und gehasst. Er habe ihn gefühlt, fühle ihn immer noch.
Ich hörte ihm zu. Ich nickte und dachte nach, aber bis heute habe ich nicht gefühlt, was er gefühlt hat, als er das sagte. Und ich werde es auch nicht fühlen. Aus dem einfachen Grund, dass ich nicht weiß, wie es ist, diesen Garten, diese so genannte Heimat zu besitzen.
Was mir blieb, war die Lehre aus dem Zimmer meiner Großeltern. Das Spiel von Würde und Maß, das ich versuche, nicht als Verlierer zu verlassen. Mir bleibt der Versuch, mir hier nichts Großes zu Schulden kommen lassen. Im Haben zu sein mit diesem Land. Daran zu glauben, dass das die Dinge einfacher macht. Das Nebeneinander und auch das Gehen.
James Baldwin sagte mal: „There is reason, after all, that some people wish to colonize the moon, and others dance before it as an ancient friend.“ Auch diesen Gedanken mag ich. Und ich frage mich, wie der, der den Mond kolonialisieren will, leben kann mit dem, der ihn antanzt. Und wie diese beiden die Erde, den Boden anschauen, auf dem sie stehen, den sie teilen. Und was sie unter Teilen verstehen. Unter Miteinander.

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Satzwende: Behzad Karim Khani (1/2)

Miteinander kann auch Schattenseiten haben: Neben-, Unter-, oder sogar Gegeneinander. Im ersten Teil seiner Satzwende-Kolumne schreibt Behzad Karim Khani davon, was für Spielregeln des Miteinanders und der Gastfreundschaft er aus seiner Kindheit im Iran kennt. Und wie diese sich für ihn in Deutschland geändert haben.


Foto von Behzad Karim Khani
©Valerie Benner

Behzad Karim Khani

wurde 1977 in Teheran geboren, seine Familie ging 1986 nach Deutschland. Er studierte Medienwissenschaften und lebt heute in Berlin-Kreuzberg, wo er schreibt und die Lugosi-Bar betreibt. Für sein Debüt Hund, Wolf, Schakal (2022) erhielt er den Debütpreis des Harbour Front Literaturfestivals. Damit ist er ebenfalls bei der globale° 2022 zu Gast.

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