Efeu auf Baumrinde
© Rike Oehlerking

Platt

Von Helge Hommers

Daar, waar ik mien Wuddels hebb, proot man Platt. Of man will of neet. Ik wull dat lang neet, nu aver wall. Doch ik kann bloot man en bietje Platt proten – wenn överhaupt. Wat schaa is. Ook wiel mi nu mien Kamernaver, de Platt-Kursen gifft, mit de Oversetten helpen mutt. Wat ’n Schiet.

Bi mien Grootollen was dat noch anners. As de beiden Kinner wassen, prootden bloot de vöörnehmen Lüü Hoogdüütsk. Un mien Vöörollen wassen vööl, aver seker kien vöörnehmen Lüü. Hoogdüütsk bruukden se höögstens in d’ School. Of in d’ Kark. Anners aver gull: Platt is Trump.


Ook mien Moder klöönde, kökelde un kabbelde as Kind bloot up Platt. Waar se aver en hogen Pries för betahlen muss, as se oller wurr. Denn nu was Platt up eenmaal neet mehr Trump, man stump. Uutlacht wurr se, wieldat se eerstmaal „richtig“ Düütsk lehren muss. Um mi vöör de glieke Blamaasch to bewahren, truck se mi up Hoogdüütsk up - Gott Loff un Dank!

Denn bi mi un de meest van mien Frünnen gull Platt sogaar as stievkoppig, achterup, püttjerig. Un so was disse Spraak för mi lange Tied bina dood. Bloot de Ollen prootden noch Platt, dat ik wall verstunn, dat aver ooldbacksch un wierd in mien Ohren klung – un vöör allen: pienelk.


Eerst nadeem ik dat verlaten harr, wat för mi Heimaad is, kwamm ik mien Wuddelspraak weer nahder. Up eenmaal behaagden mi hör Klang, hör Egenheiden, hör Warmte. So düchtig, dat ik un mien Frünnen uns en egen Platt opstellden. En Kuderwaalsk, tosamensett ut plattdüütsken Woordsnippels, de uns gefullen, de anner aver as Sabbelee ofdoon. Anner so as mien Kamernaver.

Froher hebb ik noch beschaamt mit de Kopp schüddelt, wenn ik up Weg in d’ Heimaad de gelen Oordsschiller sach, up de männigeen Gemeen hör plattdüütske Herkomen betoont. Vandaag daartegen grien ik, as ik an de Schiller vöörbifahr, up de Auerk ansteed van Aurich steiht, Noorddiek ansteed van Norddeich und Grootheid ansteed van Großheide – so wierd dat ook klingen mag. Un villicht ook ooldbacksch. Aver seker neet pienelk. Nee, heel un deel neet.


Platt

Von Helge Hommers

Dort, wo ich meine Wurzeln habe, spricht man Platt. Ob man will oder nicht. Ich wollte es lange nicht, nun aber schon. Doch ich kann Platt nur rudimentär – wenn überhaupt. Was schade ist. Auch weil mir nun mein Plattdeutsch-Kurse gebender Mitbewohner beim Übersetzen helfen muss. Schöne Scheiße.

Bei meinen Großeltern war das noch anders gewesen. Als die beiden Kinder waren, sprachen nur die feinen Leute Hochdeutsch. Und meine Vorfahren waren vieles, aber gewiss keine feinen Leute. Hochdeutsch gebrauchten sie höchstens in der Schule. Oder in der Kirche. Ansonsten aber galt: Platt ist Trumpf.

Auch meine Mama klönte, scherzte und stritt als Kind nur auf Platt. Was sich jedoch rächte, als sie älter wurde. Denn nun war Platt mit einem Mal nicht mehr Trumpf, sondern stumpf. Ausgelacht wurde sie, weil sie erst mal „richtiges“ Deutsch lernen musste. Um mich vor der gleichen Schmach zu bewahren, zog sie mich auf Hochdeutsch auf – Gott sei Dank!

Denn bei mir und den meisten meiner Kumpels galt Platt als verbohrt, rückständig, kleinkariert. Und so war diese Sprache für mich lange Zeit nahezu tot. Einzig die Alten redeten noch ebenjenes Platt, das ich zwar verstand, das aber altbacken und komisch in meinen Ohren klang – und vor allem: peinlich.

Erst nachdem ich das verlassen hatte, was für mich Heimat ist, näherte ich mich meiner Wurzelsprache wieder an. Mehr noch: Auf einmal behagten mir ihr Klang, ihre Eigenheiten, ihre Wärme. So sehr, dass ich gemeinsam mit meinen Kumpels ein eigenes Platt erfand. Ein Kauderwelsch, zusammengesetzt aus plattdeutschen Wortfetzen, die uns gefallen, das andere aber als Geschwafel abtun. Andere wie mein Mitbewohner.

Früher habe ich noch beschämt mit dem Kopf geschüttelt, sobald ich auf dem Weg in die Heimat die gelben Ortsschilder erblickte, auf denen manch Gemeinde ihre plattdeutsche Herkunft betont. Heute hingegen lächele ich, wenn ich die Schilder passiere, auf denen Auerk statt Aurich steht, Norddiek statt Norddeich, Grootheid statt Großheide – so komisch das auch klingen mag. Und vielleicht auch altbacken. Aber sicher nicht peinlich. Nein, ganz und gar nicht.


Porträt von Helge Hommers
© Saskia Petersen

Helge Hommers

wurde 1989 in Emden geboren und lebt als Redakteur und Autor in Bremen. Er hat Kurzgeschichten in Anthologien und in der MiniLit-Reihe (Heft 12) veröffentlicht sowie mehrere literarische Auszeichnungen erhalten – unter anderem das Bremer Autorenstipendium 2018 und das Stipendium für die Bremer Prosawerkstatt 2019. Im April 2020 erschien im Schünemann Verlag sein Buch Loslassen — Alles hat seine Zeit, das er zusammen mit Hans Gehrt von Aderkas schrieb. Aktuell arbeitet er an seinem ersten Roman.

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